Deutsch-ukrainisches Online-Fachgespräch – Mediation im Bereich des IT-Rechts

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Deutsch-ukrainisches Online-Fachgespräch zum Thema „Mediation im Bereich des IT-Rechts“ am  26.05.2021

Mediation

Mediation ist insbesondere bei Streitigkeiten im Bereich der Informationstechnologie ein geeignetes Mittel. Konflikte sind insbesondere bei IT-Projekten die Regel und nicht die Ausnahmen. Nach wie vor gilt die Beobachtung, dass lediglich 25 % aller Projekte mit dem vereinbarten Budget und den vereinbarten Funktionen innerhalb des vereinbarten Zeitrahmens abgeschlossen werden können, während 25 % der Projekte vollständig scheitern und die übrigen 50 % bei überschrittenem Budget und überzogenen Zeitplänen oft mit weniger Funktionen abgeschlossen werden.

IT-Verträge

Verträge im Bereich der Informationstechnologie werden zunächst zu Softwareprojekten abgeschlossen. Dabei kann es um die Erstellung von Individualsoftware oder die Anpassung von Standardsoftware gehen. Häufig sind auch Projekte zu Outsourcing, Cloud Computing oder Software as a Service (SaaS) betroffen. Auch über Softwarelizenzen und gewerbliche Schutzrechte sowie Support- und Pflegeverträge gibt es Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen.

Krisen in IT-Projekten

Krisen in IT-Projekten können unterschiedliche Ursachen haben. Eine häufige Ursache sind Spezifikationsprobleme. Die Leistungsbeschreibung ist manchmal unklar oder unvollständig. Die Vertragsparteien haben häufig unterschiedliche Auffassungen zum Gegenstand der schriftlichen Leistungsbeschreibung. Auftraggebern fehlt häufig die Kompetenz, die eigenen Anforderungen genau genug zu beschreiben. Die Fachleute auf Auftraggeberseite kennen ihre eigenen Abläufe, häufig die Bedienung der aktuell eingesetzten Software. Ohne Kenntnis der zur Verfügung stehenden Software des Auftragnehmers fällt die Beschreibung der Anforderungen schwer. Organisationsprobleme entstehen, wenn der Vertrieb beim Kunden hohe Erwartungen geweckt hat, die schließlich die Entwickler des Auftragnehmers nicht erfüllen können. Im harten Konkurrenzkampf neigt der Vertrieb dazu, dem Kunden alle Wünsche zuzusagen. Organisatorisch hat der Vertrieb mit Abschluss des Vertrages oft seine Aufgabe erfüllt und trägt keine Verantwortung für die später im Projektablauf auftretenden Probleme. Auf Kundenseite hat die Fachabteilung konkrete Vorstellungen vom Einsatzbereich der Software. Der Vertragsabschluss erfolgt aber über Rechtsabteilung und Einkaufsabteilung. Die Einkaufsabteilung achtet vor allen Dingen auf die kommerziellen Konditionen, die Rechtsabteilung auf angemessene Vertragsbedingungen. Technische Probleme können dazu führen, dass die Wünsche und Anforderungen des Auftraggebers nicht oder jedenfalls nicht so technisch umsetzbar sind. Schließlich entstehen Umgebungsprobleme, wenn durch Verzögerungen beim Ablauf des Projektes das Betriebssystem oder andere für den Einsatz der Software notwendige Begleitsysteme ein Update erfahren und dadurch neue Anforderungen an die Schnittstellen, Kompatibilität etc. stellen oder wenn neue gesetzliche oder sonstige Anforderungen auftreten.

IT-Streitigkeiten bei IT-Projekten

Einige Streitpunkte in IT-Projekten treten immer wieder auf. Standardfall ist, dass der Auftragnehmer fest vereinbarte Meilensteine nicht einhält und damit in Verzug gerät. Nicht selten stehen auch versprochene Funktionen nicht oder nur eingeschränkt oder jedenfalls anders als vom Auftraggeber erwartet, zur Verfügung. Parteien streiten dann darüber, was genau Gegenstand der Leistungsbeschreibung war und daher zu leisten ist und welche Anforderungen des Auftraggebers davon abweichen oder als neue Anforderungen Gegenstand eines Change request sein müssen. Auch die Einhaltung von Service Levels im laufenden Betrieb führt oft zu Auseinandersetzungen.

Mitwirkungsleistungen der Auftraggeber

Unterschiedliche Auffassungen bestehen häufig zu den Mitwirkungsleistungen des Auftraggebers. Manche Auftraggeber  glauben, mit der vereinbarten Vergütung bereits alle Mitwirkungsleistungen erbracht zu haben. Demgegenüber erwarte der Auftragnehmer regelmäßig während der gesamten Projektdauer die Mitarbeit. Dabei müssen Anfragen bearbeitet, Informationen bereitgestellt und bei Konzeption mitgewirkt werden. Auftragnehmer legen dem Auftraggeber Spezifikationen der vereinbarten Leistungen vor und wollen diese dann zum Gegenstand der Umsetzung machen. Dazu wird zunächst eine Abnahme oder zumindest Freigabe des Auftraggebers erwartet. Nicht selten versuchen Auftragnehmer auch Zeit zu gewinnen, in dem die Auftraggeber mit Anfragen beschäftigt werden. Unterschiedliche Auffassungen zum Leistungsumfang führen manchmal dazu, dass Abnahmen nicht erklärt werden. Fehlende Kompetenz der Auftraggeber beim Test von Software stellt ebenfalls ein Problem im Aufnahmeverfahren dar. Mitarbeiter der Auftraggeber fühlen sich oft nicht kompetent und wollen insbesondere keine Verantwortung für die gelieferte Software übernehmen. Schließlich werden Zahlungen ganz oder teilweise zurückgehalten.

Kommunikationsprobleme

Kommunikationsprobleme sind die eigentliche Ursache von Krisen. Das Lastenheft bzw. die Grobspezifikation ist vom Auftraggeber zu liefern. Hier sind die fachlichen Anforderungen aus Sicht der Fachleute zu beschreiben. Anwendungsfälle müssen hier definiert sein. Vor diesem Hintergrund und der zur Verfügung stehenden Software erstellt dann der Auftragnehmer die Feinspezifikation bzw. das Pflichtenheft. Gute Zusammenarbeit bei der Erstellung dieser zentralen Dokumente führt später zu einem guten Projekt.

Auftraggeber und Auftragnehmer

Grundproblem der Kommunikation ist, dass der Sprecher bzw. Autor (bei schriftlicher Kommunikation) seine Gedanken in Worte fassen muss, was zu einer Verkürzung führt. Diese Worte werden übertragen und beim Empfänger wahrgenommen. Schon hier kann es aufgrund unterschiedlicher Interpretation zu Missverständnissen kommen. Der Empfänger versteht die Worte und bei ihm entsteht eine Vorstellung. Die Vorstellungen des Sprechers müssen mit denen des Empfängers nicht übereinstimmen. Je abstrakter die Gegenstände der Kommunikation, desto größer ist der Raum für Missverständnisse und unterschiedliche Interpretationen.

Fachsprache und Alltagssprache

Selbst bei Verwendung der gleichen Sprache entstehen Probleme. Bei Auftraggeber und Auftragnehmer sind unterschiedliche Fachleute beteiligt und Fachleute sprechen typischerweise in ihrer Fachsprache. Fachsprache wird in aller Regel nicht eigene Worte neu erfinden, sondern verwendet Begriffe aus der Alltagssprache, die mit einem konkreten Fachinhalt aufgeladen werden. Können Begriffe in der Alltagssprache unterschiedliche Bedeutung haben, werden sie als Teil der Fachsprache genau und präzise definiert. So kann es sein, dass ein Begriff der Alltagssprache in unterschiedlichen Fachsprachen unterschiedliche Bedeutungen erlangt. Klassisches Beispiel ist das Wort „Prozess“. Auf einem abstrakten Niveau bezeichnet Prozess ein Vorgang, der durch ein bestimmtes Ereignis in Gang gesetzt wird, nach festgelegten Regeln abläuft und zu einem Ergebnis führt. Diese abstrakte Definition gilt in der deutschen Sprache auch für alle Fachsprachen. Allerdings verstehen Juristen, Betriebswirte, Physiker, Informatiker etc. trotz dieser grundsätzlichen Übereinstimmung und der Prozess etwas völlig anderes.

Urheberrecht zwischen Verteilungskampf und Kooperation

Ausschließliche oder einfache Nutzungsrechte

Auftraggeber fordern oft ausschließliche Nutzungsrechte, insbesondere wenn Programmierleistungen nach Aufwand vergütet werden sollen. Insbesondere Rechtsabteilung und Einkaufsabteilung formulieren oft diese Forderung. Ein wichtiges Argument ist, dass bei vollständiger Finanzierung der Tätigkeit des Auftragnehmers auch das Ergebnis vollständig und uneingeschränkt übertragen werden soll. IT-Anbieter verweisen demgegenüber darauf, dass Softwareentwicklung heutzutage nicht mehr auf einem weißen Blatt Papier startet, sondern auf Erfahrung aus früheren Projekten beruht und Elemente aus früheren Projekten einbezieht. Neue Lösungen werden nicht mehr komplett neu programmiert, sondern unter Nutzung vorhandener Komponenten geschaffen. Probleme ähneln sich und können nicht immer komplett neuen Lösungen zugeführt werden.

Interessen statt Positionen

Die Interessen der Parteien zu erfragen ist ein Weg zu einer Lösung. Beide Seiten sind daran interessiert, dass die Leistungen fair bezahlt werden. Neben der fairen Bezahlung führen Auftraggeber häufig an, dass mit der neuen Software auch neue Geschäftsmodelle umgesetzt werden sollen, mit denen das Unternehmen einen Marktvorteil realisieren will. Demgegenüber haben die Auftragnehmer den Wunsch, im gleichen Bereich weitere Projekte akquirieren zu können und dabei die gewonnenen Erfahrungen und Teile der erstellten Elemente wiederverwenden zu können.

Angemessene Vergütung

Angemessene Vergütung liegt im Interesse beider Seiten. Auftragnehmer bringen die gemachten Erfahrungen aus früheren Projekten und einzelne bereits erstellte Elemente daraus ein, ohne diese stets mit einem Preisschild zu versehen. Auftraggeber erwarten solche Erfahrungen und in der Regel auch Branchenkenntnis. Die Auftragnehmer wollen weiter in der Branche aktiv sein können. Je nach Art der zu erstellenden neuen Software, kann im Fall des Weiterverkaufs oder der Einarbeitung in den Standard ein Teil der Entwicklungskosten rückvergütet werden. Auf jeden Fall führt eine breitere Anzahl von Anwendern zu Einsparungen bei Wartung und Pflege.

Innovative Geschäftsmodelle

Auftragnehmer, die ihrerseits Software verkaufen, benötigen oft (wenn auch nicht immer) die Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte. Soll die Software dagegen nur im eigenen Betrieb oder Konzern genutzt werden, sind einfache Nutzungsrechte in der Regel ausreichend. In einigen Fällen wird eine neue Software auch der Umsetzung neuer und innovativer Geschäftsmodelle dienen. Mit diesen neuen und innovativen Geschäftsmodellen soll ein Marktvorteil gegenüber der Konkurrenz erzielt und möglichst lange gehalten werden. Geeignetes Mittel hierfür ist zunächst eine Geheimhaltungsvereinbarung. Dabei ist das neue Geschäftsgeheimnisgesetz  zu beachten. Ergänzend wird in der Regel vereinbart, dass die neu entwickelte Software nicht an Konkurrenten oder Wettbewerber weitergegeben werden darf, um diese nicht in den Besitz der neuen Geschäftsmodelle zu versetzen. Allerdings sind Geschäftsmodelle nicht schutzfähig. Weder Urheberrecht noch sonstige gewerbliche Schutzrechte hindern die Wettbewerber, gute Geschäftsmodelle zu adaptieren. Deshalb wird in der Regel eine solche Weitergabe nur für begrenzte Zeit ausgeschlossen. Manche Geschäftsmodelle lassen sich ohne weiteres auch in fremden Branchen einsetzen. Nicht alle Unternehmen sind weltweit aktiv. Außerhalb der Branche bzw. des Vertriebsgebiets entstehen dann keine Nachteile durch die Weitergabe der individuell entwickelten Software.

Größerer Nutzerkreis hat Vorteile für beide Seiten

Ein größerer Nutzerkreis ist für beide Seiten von Vorteil. Wird eine Software von mehr als nur einem Unternehmen eingesetzt, steht mehr Geld für Pflege und Weiterentwicklung zur Verfügung. Zusätzliche Anwender bringen aber nicht nur Geld, sondern auch viele eigene Ideen in die Weiterentwicklung ein.

Vorteile der Mediation im IT-Recht

Damit sind nur einige Bereiche von Streitigkeiten im IT-Recht und nur einige Vorteile der Mediation ganz kurz angesprochen worden.

Programm Fachgespräch Mediation IT-Recht 26-05-2021

Mediation Deutsch-ukrainisches Online-Fachgespräch 2021

Mediation Deutsch-ukrainisches Online-Fachgespräch 2021 ukrainische Uebersetzung der Folien

 

Mittwoch, 26. Mai 2021
 

09.00 – 09.20 MEZ

(10.00 – 10.20 OEZ)

 

Begrüßung und Eröffnung:

 

Wolfram Hertig, Senior-Projektmanager, IRZ

 

Luisa Romanadze, Präsidentin der Mediationsakademie der Ukraine

 

Denys Iwanow, Ministerium für Digitale Transformation

 

  Moderation: Luisa Romanadze, Präsidentin der Mediationsakademie der Ukraine

Wolfram Hertig, Senior-Projektmanager, IRZ

 

09.20 – 09.40 MEZ

(10.20 – 10.40 OEZ)

 

Vorteile der Mediation im IT-Recht und Hauptarten der Streitigkeiten in diesem Bereich

 

Rechtsanwalt Dr. Thomas Lapp (Frankfurt am Main), Präsident des Deutschen Forums für Mediation, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Mediation im Deutschen Anwaltverein (DAV)

 

09.40 – 10.10 Uhr

(10.40 – 11.10 OEZ)

 

 

 

Fragen und Antworten, Diskussion

10.10 – 10.30 Uhr

(11.10 – 11.30 OEZ)

 

Vorteile der Anwendung der Mediation im Bereich der IT-Sphäre: erste Erfahrungen in der Ukraine

 

Rechtsanwältin Anna Kuchar, CLO Intecracy Group, Initiatorin des Projekts # IntecracyLawyers, Mitglied des Rates der Juristenassoziation der Ukraine für Fragen der Telekommunikation, IT und Internet

 

10.30 – 10.50 Uhr

(11.30 – 11.50 OEZ)

 

 

 

Fragen und Diskussion

10.50 – 11.10 Uhr

(11.50 – 12.10 OEZ)

 

Mediation zu urheberrechtlichen Fragen des IT-Rechts. Interessensausgleich statt Verteilungskampf.

 

Rechtsanwalt Dr. Thomas Lapp (Frankfurt am Main), Präsident des Deutschen Forums für Mediation, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Mediation im Deutschen Anwaltverein (DAV)

 

11.10 – 11.50 MEZ

(12.10 – 12.50 OEZ)

Fragen und Antworten, Diskussion. Abschließende Erörterung aller Themen
11.50 – 12.00 MEZ

(12.50 – 13.00 OEZ))

Abschluss der Online-Tagung

 

Luisa Romanadze, Präsidentin der Mediationsakademie der Ukraine

 

Wolfram Hertig, Senior-Projektmanager, IRZ

 

 

 

 

Veranstalter:

Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit e.V. (IRZ)
Ubierstr. 92/94, 53173 Bonn